Die Schrottimmobilien von Kaldenhausen

Verfasst am: 2016-02-21  •  Autor: Martin Krampitz (WAZ/NRZ/RP)  •  Fotos: Ferdi Seidelt

Die Schrottimmobilien von KaldenhausenDie Schrottimmobilien von KaldenhausenDie Schrottimmobilien von Kaldenhausen

In diesen Tagen hat Martin Krampitz den Vorsitzenden des Runden Tisches, Ferdi Seidelt, gebeten, ihm das Problemgrundstück "Birkenstraße 75" zu zeigen. Krampitz fertigte daraufhin einen Beitrag, der in der WAZ/NRZ und RP (alle 19. Februar 2016) in unterschiedlichen Variationen erschien:
Rumeln-Kaldenhausen ist ein gepflegter, lebenswerter Stadtteil ganz im Westen Duisburgs. Ganz Rumeln-Kaldenhausen? Nein. Mitten im Ortsteil Kaldenhausen, Ecke Ulmenstraße/Birkenstraße, ragt ein städtebauliches Monstrum aus dem beschaulichen Umfeld hübscher Ein- und Zweifamilien- sowie sanierter Mehrfamilienhäuser. Wie ein fauler Backenzahn zeigt sich der längliche, viergeschossige Klotz auf einem verlassenen Stück Land, bestehend aus dichtem Unterholz mit munter sprießenden Sträuchern, Bäumchen und endlosen, wild wuchernden Brombeerhecken. Grau, heruntergekommen, baufällig, hässlich, trostlos.
Ortstermin. Es regnet, es ist kalt, es ist richtig ungemütlich. Ferdi Seidelt, Rumeln-Kaldenhausener Urgestein, ortskundig wie kaum ein anderer, kann das nicht schrecken. „Ich war schon gefühlte hundert Mal hier auf diesem Gelände.“ In wetterfester Kleidung bahnt sich der erfahrene Journalist seinen Weg durch das Dickicht über einen engen, zugewachsenen Trampelpfad. Die Dornen der Brombeerhecken schrammen an seinem Anorak vorbei. Der Boden im Unterholz ist flächendeckend mit Glasscherben und Verpackungsmaterial, mit Sperrmüll und undefinierbaren Gegenständen übersät.
Nach knapp hundert Metern steht Seidelt vor dem Hauseingang Birkenstraße Nr. 75. Er rüttelt an der Stahlplatte, die den Eingang seit Jahrzehnten hermetisch verschließt. Vergebens. „Dicht!“ Genauso wie fast alle anderen Türen und Fenster im Erdgeschoss. Die sind mit zwei, drei Quadratmeter großen, stählernen rostbraunen Gitterplatten versperrt, damit abenteuerlustige Jugendliche und obdachlose Mitbürger sich drinnen nicht tummeln können. Dennoch: Die sogenannte „Verkehrssicherung“ ist hier keineswegs gewährleistet. Unbekannte haben die Stahlplatte vor einem Fenster abgebaut, das hohle Viereck klafft weit offen, ein angsterregendes schwarzes Loch. Wie die übrigen Fenster in den drei oberen Stockwerken, in die jetzt der Regen peitscht. An die offene Stelle haben die Eindringlinge ein treppenartiges Gitter gelegt, um leicht einsteigen zu können. Zu diesem Fenster führt ein erkennbar genutzter Trampelpfad. Offenbar gab und gibt es hier regelmäßig Hausbesuch. „Spielende Kinder, alternative Jugend, drogenabhängige oder obdachlose Menschen, die Nachbarn berichten mir regelmäßig von ungebetenen Gästen“, fasst Seidelt zusammen.
Das ist noch nicht alles. Bunte Farbschmierereien von Linken und Rechten zieren die Fassade an der Ulmenstraße, die Balkone begrenzen zementgraue, zersplitterte, asbesthaltige Wellplatten. Auch das kleinere Nebenhaus, die Birkenstraße Nr. 71 und 73, links neben dem Haupthaus, kann keinen Schönheitswettbewerb mehr gewinnen, auch dieser Mehrstöcker ist mit Schwermetall verrammelt. Genauso wie die unansehnliche Ladenzeile quer vor dem Haupthaus, also die Ulmenstraße 5 bis 13, einst ein weiß gestrichener länglicher Flachbau, von dem die Farbe blättert. „Hier befanden sich nebeneinander die Kneipe ,Ulmenwirtin', ein Supermarkt und auch schon einmal eine Arzt-Praxis“, erinnert sich Seidelt. Ein grün-gelber Farbstreifen unterhalb des Flachdachs zeugt noch von der alten Götzen-Herrlichkeit, die es längst nicht mehr gibt. „In der Kneipe, bei der Ulmenwirtin, war immer viel los, Kopfschmerzen inklusive.“
Die Häuser wurden in den 50er Jahren als Teil der so genannten „Polensiedlung“ gebaut, im Rahmen des internationalen US-Aufbauprogramms ERP und OECD, weiß Ferdi Seidelt. In den beiden Häusern wohnten knapp 40 Familien, rechnet der Lokalmatador nach, jetzt stehen die Blocks leer: „Die Häuser müssen erstmals 1956 bezogen worden seien. Schon in den 70er Jahren wollte hier niemand mehr wohnen. Dann kam die Räumung. Vor ziemlich genau 30 Jahren zogen die letzten Mieter aus.“
Was hat man seitdem nicht alles schon versucht, um den Schandfleck zu beseitigen und auf dem verwaisten Grundstück eine lockere Wohnbebauung zu realisieren! Ferdi Seidelt, seit 37 Jahren als Vertreter von Rumeln-Kaldenhausen im Rathaus Rheinhausen tätig, kann kaum noch die Initiativen, die Anfragen und Anträge zählen, die er und seine Kollegen über die Parteigrenzen hinweg ins Werk gesetzt haben, doch der „städtebauliche Skandal“ blieb.
Wo liegt dann das Problem? „Das Haus gehört einer Erbengemeinschaft aus Wuppertal. Die aber kann sich wohl nicht einigen.“ Trotz mehrerer Termine von Verwaltung und Bezirksvertretern mit Repräsentanten der Eigentümer konnte bis heute keine Einigung erzielt werden. Man habe die Situation rechtlich überprüft, das Baugesetzbuch nach passenden Paragraphen abgeklopft. Im Ergebnis seien aber der Stadt die Hände gebunden, so Seidelt. Auch eine unter gewissen Vorgaben mögliche „Ersatzvornahme“ greife bei diesem Objekt „nicht mal so eben“. Eine Enteignung sei nach deutschem Recht halt schwieriger als in anderen Ländern.
„Diese Gebäude beschädigen das ästhetische Empfinden und die Wohnwerte in der Nachbarschaft“, bedauert Seidelt, „zudem belasten sie die Revitalisierung des ehemaligen Schulgrundstücks.“ Dabei gäbe es längst interessierte Investoren für eine Neubebauung. „Wenn die Erbengemeinschaft heute grünes Licht geben würde, könnten schon morgen die Bagger rollen.“
Zusatzinformationen: „Polensiedlung“ und „Friedrich Fröbel“
Die „Polensiedlung“ in Kaldenhausen wurde in den frühen 50er Jahren aus Mitteln des „Marshall-Plans“ speziell für aus Polen und den deutschen Ostgebieten Vertriebene errichtet. Dazu zählen Häuser an der Ulmen- und Birkenstraße sowie Im Heckhofen. Während die Mehrfamilienhäuser der Siedlung nach ihrer Privatisierung größtenteils modernisiert worden sind und alle bewohnt werden, sind die leer stehenden Gebäude aufgrund einer Anordnung des Bauordnungsamtes der Stadt Duisburg gegen jedwedes Betreten zu sichern.
Auch die Gebäude der ehemaligen Friedrich-Fröbel-Sonderschule nebenan stehen seit gut fünf Jahren leer. Die Förderschule befindet sich seit 2010 am Paschacker in Rheinhausen-Bergheim. Das Grundstück ist im Eigentum der Stadt und könnte rasch bebaut werden.
Für beide Gebiete hat der Rat der Stadt Duisburg bereits am 5. Juli 2010 einen Bebauungsplan (Nr. 1142) aufgestellt, insgesamt stünden hier für den Wohnungsbau rund 17.000 qm zur Verfügung.
Zu den Bildern:
Es ist alles andere als in Ordnung mit der Sicherung der Schrottimmobilie: Wie eine Einladung für ungebetene Gäste wirkt das Gitter vor einem widerrechtlich offenen Fenster, von den Brüstungen fallen Verblendungen nach unten und etwas weiter zuvor an der Birkenstraße tummeln sich am überlaufenden Altkleider-Container Nagetiere.

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