Bauern-Historie – vom Selbstbinder und Butter-Hund
Text: Ferdi Seidelt - Fotos: Ferdi Seidelt (3), Heimatarchiv (3)
Nach zweieinhalb Stunden Vortrag bat der Maestro ans Pult. Heinz Billen animierte die Gäste, die Themen der nächsten Vorträge selbst zu bestimmen. Keine leichte Sache! Von A wie „Adelsgeschichten aus Rumeln-Kaldenhausen“ bis Z wie „Ziegeleien in Rumeln-Kaldenhausen“ machte der Heimatforscher den Zuhörern die Wahl zur Qual. Dabei hatte Billen noch nicht einmal A, dafür aber schon B wie „Bauern“ gesagt. Von Anfang an!
95 Zuhörer sind ins Kulturspielhaus geeilt, um Wissenswertes über die (einstige) Landwirtschaft in Kaldenhausen und in Rumeln zu hören. Sie erleben den Heimatforscher in Höchstform. Gearbeitet wurde um die Jahrhundertwende montags bis samstags im Sommer zwölf und im Winter neun Stunden täglich. Dafür gab es zwischen 90 (für den ersten Arbeiter) und 10 Reichsmark (für die dritte Magd) – jährlich wohlgemerkt. Im Gegenzug für die karge Entlohnung reichte der Bauer vier Mahlzeiten. Morgens Mehlspeise mit Pfannekuchen, mittags Gemüse und Schweinefleisch, nachmittags Butterbrote und Muckefuck sowie abends Kartoffeln, Milch oder Biersuppe.
Billen weiß natürlich mehr über die Arbeit auf den Höfen in Kaldenhausen und Rumeln. Wo weiland um die zehn Leute nötig waren, reicht heute ein Mitarbeiter. Das „Gesinde“ auf einem 100 Morgen großen Hof (etwa 250.000 qm) bestand aus einem ersten, zweiten und dritten Arbeiter, einem Pferdeknecht, einem Pferdejunge, einem Eggejungen, einem Kuhhirten, einer ersten, zweiten und dritten Magd und gegebenenfalls einem Kindermädchen. War das Gehöft eher klein, kam die zumeist vielköpfige Familie mit einem Knecht und einer Magd aus.
Die Arbeit in den Ställen und auf den Feldern war hart. Das Getreide wurde mit der Sichel oder der Sense geschnitten. Es war eine kleine Sensation, als die ersten Mähmaschinen und Selbstbinder – Josef Heizer importierte 1913 einen ersten aus Amerika – auf den Äckern auftauchten. Erst in den 60er Jahren wurden sie durch moderne Mähdrescher abgelöst – Mähen, Dreschen (die Körner aus den Ähren des Getreides herausbringen) und Strohverarbeitung in einem Arbeitsgang! In den Stallungen wurde das aus gehackten Rüben bestehende Futter durch Stroh-Heu-Häcksel gestreckt. Es wurde gemolken, was die Hände hergaben, erst nach 1945 kamen die ersten Melkmaschinen an die Euter. Die Milchproduktion war ein lohnendes Unterfangen, täglich holte die "Centralmolkerei J. & H. Cölfen" aus Rheinhausen die gefüllten 20-l-Kannen ab. Lange Zeit lief ein Hofhund im Butterrad, sein unermüdlicher Tritt bewegte über einen Mechanismus aus Zahnrädern das Butterfass. Im erst 1981 abgerissenen Krauthäuschen von Otten – vis-a-vis Einmündung Giesenfeldstraße – wurde Rübenkraut gefertigt, was in Rumeln auch die Familien Erkens, Kriens, Daniels und Hellwigen taten.
Größere Bauernhöfe hatten ein eigenes Backhaus, kleinere Anlagen teilten sich eines. Spätestens nach dem 2. Weltkrieg wurden diese überflüssig, da sich im Ort Bäcker niederließen – die Bäckerei Billen (heute Wiedemann) in Kaldenhausen ist mittlerweile Legende.
Es kann noch viel wiedergegeben werden, was Billen in schlanken 150 Minuten kurzweilig zum Besten gab. Doch irgendwie muss gut sein! Was hilft ist die Gewissheit, dass am Mittwoch, 16. Oktober, 19 Uhr, Bauern in Kaldenhausen und Rumeln Teil II, ansteht, der Referent dann konkret auf Höfe eingeht. Wetten, dass dann die Hütte bei Pügners Tim wieder voll sein wird (nähere Infos alsbald an dieser Stelle, auf Facebook oder in den Print-Medien)!
Zu unseren Fotos (zum Vergrößern bitte anklicken):
1 – 95 Heimatfreunde füllten das Rumelner Kulturspielhaus bis auf den letzten Platz. Sie erlebten 150 Minuten kurzweilig vorgetragene Bauern-Geschichte.
2 – Der Selbstbinder machte die schwere Arbeit mit Sichel und Sense überflüssig. Er ist eine Weiterentwicklung der Erfindung des mechanischen Knoters.
3 – Links der moderne Bildwerfer, auf dem Tisch das Manuskript, vor ihm die interessierten Gäste – Rumeln-Kaldenhausen-Chronist Heinz Billen in seinem Element.
4 – Die gebundenen Gaben müssen, um gedroschen werden zu können, zuerst einmal auf den Hänger geladen werden. Dann geht es ab zur Tenne (Dreschboden).
5 – Für das Publikum ist der neue Bild-Direkt-Projektor, eine Zuwendung aus dem Heimatministerium NRW, eine schöne Visualisierung des Gesagten.
6 – Beim Dreschen wird aus dem Gemisch aus Stroh, Spreu und Körnern zuerst das Lang- und Kurzstroh entfernt, danach werden Spreu und Körner getrennt.