Die Hälfte vom Ball für die Frauen! (2)
Text: Redaktion EMMA – Fotos: Getty Images, Bongarts
Die von EMMA gestartete Kampagne „Die Hälfte vom Ball für die Frauen!“ löste in den Medien verwunderte bis zustimmende Reaktionen aus. Pünktlich zum WM-Jahr haben sich Alice Schwarzer und ihr EMMA-Team die Förderung des Frauenfußballs auf die Fahnen geschrieben, berichtete „Sports“. Und „Sport Bild“ kommentierte einfühlsam, es sei sicher noch ein weiter Weg bis zur stärkeren Beachtung des Frauenfußballs durch die Medien. Sorgen um den Verlust der Weiblichkeit machte sich die FAZ und fragte: „Schwestern, wollt Ihr wirklich so werden wie die?“ Und Heike Weidenhaupt vom „Bonner Generalanzeiger“ schloss messerscharf: „Das kommt einer offenen Kampfansage gegen die letzte verbleibende Männerdomäne gleich.“ Am 1. März 1998 legte EMMA nach:
So ist es. Die allerletzte Männerdomäne ist der Fußballplatz zwar nicht (uns fiele da noch der Vatikan ein), aber eine der letzten gewiss. Und getreu dem feministischen Motto: Die Hälfte der Welt für die Frauen (und die Hälfte des Hauses für die Männer!), ist es nur logisch, wenn EMMA sich in die Bresche wirft für die kickenden Frauen. Bei den Männern regiert Gott Fußball die halbe Welt, ja sogar unseren Tagesablauf und den Fernsehabend und lässt die Kassen millionenschwer klingeln. Nur wir Frauen sollen mal wieder zu fein sein dafür? Ein Argument, das aufhorchen lässt.
Vor 15 Jahren etwa, zu Beginn der 80er Jahre, hat noch kein Mensch für Damentennis auch nur die Wimpern gehoben. Und heute? Siegfried Dietrich, Manager der Fußball-Bundesligistin SG Praunheim und Inhaber der erfolgreichen Frankfurter Sportagentur SIDI-Sportmanagement, ist sich sicher: „Wenn die Entwicklung so rasant weitergeht, wird der Frauenfußball in fünf bis zehn Jahren einen wesentlich höheren Stellenwert haben, ähnlich wie das Damentennis heute.“ Frauenfußball hat Zukunft. Und schon die Gegenwart kann sich sehen lassen. Was kein Zufall ist. Mir fehlen an meinem Körper die entscheidenden fünf Gramm, hat Nationalspielerin Silvia Neid einmal trocken gesagt.
Doch trotz dieser Widerstände ist der Fußball mit 20 Millionen Spielerinnen inzwischen der beliebteste Frauenteamsport der Welt. Auch in Deutschland steigt die Anzahl der Kickerinnen unaufhaltsam. 1994 waren 575.000 Fußballerinnen in 4.040 Damen- und Mädchenmannschaften organisiert. 1996, nur zwei Jahre später, sind es schon 706.346 in 4.760 Teams (2003: 851.534 in 6.496 Teams) darunter 133.000 Mädchen in 2.148 Teams (2003 sind es schon 214.997 Mädchen in 3.113 Teams!). In West wie Ost schießen die Mädchenfußballteams wie Pilze aus dem Boden.
Auch im Spitzenfußball geht es mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts. Obwohl der Frauenfußball bis 1970 vom Deutschen Fußballbund doch tatsächlich regelrecht verboten war und auch die DDR-Fußballerinnen 21 Jahre lang darum kämpfen mussten, als Wettkampfsportlerinnen anerkannt zu werden. Die Genossen ließen erst 1990, im Jahr der Vereinigung, die kickenden Genossinnen zum Leistungssport zu. Und obwohl die deutsche Frauennationalmannschaft im Westen erst 1982 (und im Osten 1990) gegründet wurde, ist sie schon viermal Europameisterin geworden (tja, da kommt Nostalgie auf, die Herren). Für den Titel erhielten die Damen 1989 ein Kaffee-Service, 1991 ein Münz-Set und 1995 immerhin 6.000 DM pro Nase.
Seit 1996 ist Frauenfußball eine olympische Disziplin, und seit 1997 spielen die deutschen Spitzenfußballerinnen in einer sogenannten eingleisigen Bundesliga. Die kickenden Mädchen und Frauen kommen also mit Macht.
Im Januar 1998 stieß auch EMMA den Ball an und der rollt nun unaufhaltsam. Wir fragten SpielerInnen, SportfunktionärInnen, Sponsoren und PolitikerInnen, was sie sich für den Frauenfußball wünschen, was sie tun können und wollen, um den sogenannten Damen-Fußball an der Basis und an der Spitze zu fördern.
1. Soll der Mädchenfußball in den Schulen systematisch gefördert werden?
2. Soll der deutsche Fußballbund einen Frauen-Fußball-Förderplan aufstellen?
3. Sollen aus den deutschen Bundesliga-Spielerinnen Profis werden?
EMMA rannte mit den Fragen halboffene bis offene Türen ein. Alle sind sich einig, dass in den Schulen mehr für den Mädchenfußball getan werden muss. Bei den Förderplänen gehen die Meinungen auseinander. Die gehören eher in die Vereine, meinen viele ExpertInnen. Und auch bei der Professionalisierung der Frauenbundesliga gibt es unterschiedliche Meinungen. Die wäre jedoch auf Dauer die Voraussetzung für eine Profilierung der deutschen Spitzen-Fußballerinnen, die bis heute alle Amateurinnen sind und nebenbei noch ihrem Beruf nachgehen müssen.
Die dem Frauenfußball wohl gesinnten Frauenministerinnen der Länder sind ausnahmslos für die Professionalisierung der Spitzenfußballerinnen. Die sächsische Ministerin Frederike de Haas spitz: Wir haben ja freie Berufswahl in Deutschland. Und die niedersächsische Frauenministerin Bührmann: Warum sollen nur Fußballspieler Millionen als Profis verdienen?
Gegen die Professionalisierung ist Gero Bisanz, Ex-Frauen-Nationaltrainer und Leiter der Trainerausbildung beim DFB: Solange das Interesse der Zuschauer sich auf dem augenblicklichen Niveau bewegt, ist ein Profitum bei den Frauen unwirtschaftlich und undenkbar.
Martina Voss, die Kapitänin der Damennationalmannschaft, sagt geradeaus: Profibedingungen wären optimal, aber sie sind in Deutschland in den kommenden Jahren nicht zu realisieren. Ein Halbprofitum wäre schon ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Auch Nationalspielerin Fitschen hält zur Zeit eine Profi-Liga für utopisch. Ideal wäre für uns ein Halbprofitum. Genauso sehen es die Bundesligatrainerinnen vom 1. FC Saarbrücken, Margret Kratz, und die Bundesligatrainerin vom SG Praunheim, Monika Staab.
Ursula Voigt aber, von der Abteilung Frauen im Deutschen Sportbund, ist dafür. Willi Hink, zuständig für den Frauenfußball im Deutschen Fußballbund, antwortet vorsichtig: Es könne möglich werden, dass die Vereine ihre Spielerinnen als Berufsspielerinnen unter Vertrag nehmen. Und die Trainerin der Nationalmannschaft, Tina Theune-Meyer: Wenn die Entwicklung so dynamisch weitergeht, ist eine lohnende Vermarktung denkbar allerdings: Professioneller Frauenfußball muss sich selber tragen.
Womit wir beim Sponsoring wären. Und da gibt es einen Teufelskreis. Um einen Werbewert für Sponsoren zu haben, müsste der Frauenfußball im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen und um im Rampenlicht stehen zu können, müsste er größere Chancen haben, unter anderem dank Sponsoring und Professionalisierung.
Der Frauenfußball leidet unter Sponsoren-Mangel. Das Problem ist, dass er genau dazwischen hängt: den richtigen Frauen ist er zu männlich, den richtigen Männern zu weibisch. Die Sponsoren, die sich für den Bereich Frauen interessieren, die stört der Fußball. Und die, die sich für den Bereich Fußball interessieren, die stören die Frauen, stellt Markus Diesing von der Werbeagentur Trinklein trocken fest. Er muss es wissen. Er hat schließlich den Hallen-Cup 98 der Frauen im Januar in Frankfurt vermarktet. Den Sponsoren, die ja ganz einfach an effektiver Werbung für Kosmetika, Wäsche etc. via Sponsoring interessiert sind, ist der Frauenfußball nicht weiß genug, sagt Diesing. Da sind Tennis und Eiskunstlauf schon was Feineres.
So manchen Frauen, auch Feministinnen, ist der Frauenfußball auch nicht weiß genug. Was soll denn das? Warum setzt EMMA sich denn jetzt für Frauenfußball ein? Mehr als einmal bekamen wir das in den letzten Wochen zu hören. Auf der anderen Seite meiden auch viele Fußballerinnen fast ängstlich den Kontakt mit der Frauenfrage. Sportjournalistin Beate Fechtig: Die Fußballerinnen, die nichts mit den „Emanzen“ zu tun haben wollen, die haben sich ihre eigene Wurzeln abgeschnitten. Denn ohne Frauenemanzipation gäbe es doch gar keine Frauen im Sport und auf dem Fußballplatz schon gar nicht.
Heute haben es die fußballernden Mädchen schon leichter. Die müssen sich nicht mehr dafür rechtfertigen, warum sie ausgerechnet Fußball spielen, freut sich Tina Theune-Meyer, die werden dafür bewundert. Und in der Tat: Von der Notwendigkeit der verstärkten Förderung des Mädchenfußballs auch in den Schulen sind einfach alle überzeugt, von Frauennationalmannschafts-Kapitänin Voss bis Sepp Maier, von Libera Fitschen bis Bundeskanzler Kohl.
Martina Voss: Hemmschwellen müssen abgebaut, Fußball-AG's für Mädchen eingeführt werden. Der Fußballverband Niederrhein zum Beispiel bietet spezielle Kurse für Grundschul-Lehrerinnen an. Libera Fitschen: Es wäre toll, wenn noch mehr Schulen zu „Jugend trainiert für Olympia“ Mädchenfußball-Teams ins Rennen schicken würden.
Auch vom Deutschen Fußball-Bund kommt ein klares Ja zum Mädchenfußball. Er fordert: Verankerung des Mädchenfußballs in allen Lehrplänen und als Pflichtfach in der SportlehrerInnen-Ausbildung sowie Kooperation zwischen Mädchenfußballvereinen und Schulen. Bei den Frauenministerinnen des Bundes (Nolte) und der Länder hat diese Forderung ebenfalls volle Rückendeckung.
In den USA ist der Fußball auch für Mädchen an den Schulen und Colleges übrigens eine Selbstverständlichkeit. Das Ergebnis: sieben Millionen aktive Fußballerinnen und ein öffentliches Interesse für den Frauenfußball, das den Männerfußball überragt.
Alles, was die Fußballerinnen bisher erreicht haben, haben sie selber erkämpft. Das ist im Fußball nicht anders als auf dem ganzen Erdball, eher ein bisschen härter. Denn der Männerbund Fußball bedeutet: Spaß, Geld, Macht und Network. Da lassen sich die Jungs nicht so leicht reinspielen.
So ist es auch kein Zufall, dass die Frauen ausgerechnet Anfang der 70er, mit dem Beginn der Neuen Frauenbewegung, begannen, die Männer-Vereine zu stürmen. Typisch ist da die Geschichte von Hannelore Ratzeburg, der einzigen Frau im DFB-Vorstand. Die Hamburger Pädagogik-Studentin war 1970 eine dieser jungen Frauen, die in die Fußballclubs drängten. Wir haben da Revolution gemacht, erzählt sie. Zuerst haben wir mal die Satzung umgeschrieben damit Frauen überhaupt mitmachen konnten. Glatt ging das nicht. Natürlich wurden wir innerhalb der Vereine von den Fußballern angefeindet und auf dem Fußballplatz von den Zuschauern ausgelacht. Aber wir haben zusammengehalten.
Für die italienischen oder norwegischen Frauenfußball-Nationalmannschaften ist es übrigens selbstverständlich, zum Beispiel am 8. März, dem Internationalen Frauentag, Solidaritätsspiele zu machen am liebsten gegen berühmte Männerteams (das bringt Presse). Die deutschen Nationalspielerinnen halten sich bedeckt. Noch.
„Dieda“-Herausgeberin Monika Koch-Emsermann zum Beispiel ärgert sich schwarz über die Fußballerinnen, die „zwar auch in den höchsten Ligen spielen wollen, sich aber immer schön bedeckt halten. Dabei könnten die, wenn sie mal aus der Deckung kämen und in die Offensive gingen, die ganze Welt aus den Angeln heben!“
Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken):
Die Geschichte der Hannelore Ratzeburg ist untrennbar mit der Geschichte des Frauenfußballs verbunden. Die DFB-Vizepräsidentin hat die Entwicklung dieser Sportart geprägt – national wie international. Foto: Getty Images
Libera Doris Fitschen, hier 1989 im EM-Finale gegen Norwegen (4-1), ist seit August 2009 Managerin der deutschen Frauennationalmannschaft. Fitschen, Neid, Prinz, Voss, Ikonen des Frauenfußballs. Foto: Bongarts
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