Die Hälfte vom Ball für die Frauen! (4)
Text: Alice Schwarzer – Fotos: Hermes,Getty Images
Im Juni, Juli 1998 schließlich griff EMMA-Chefin Alice Schwarzer höchstpersönlich ins Geschehen ein und schrieb zum 1. Juli 1998 Teil 4 von „Die Hälfte vom Ball für die Frauen!“:
Die Zeiten, in denen Franz Beckenbauer tönte: „Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz, die gehören an den Herd“, die sind vorbei. Heute verleiht der Franzl im Auftrag der Firma „Hermes“ alljährlich einen prächtigen Pokal an die „Fußballerin des Jahres“. Und der Trainer der Herren-Nationalmannschaft, Berti Vogts, antwortet EMMA-Reporterin Beate Fechtig auf die Frage „Was halten Sie von EMMA?“: „Das ist eine gut aufgemachte Zeitschrift, die zu mehr Selbständigkeit der Frauen beiträgt.“
Wow. Wir finden auch, dass Sie guten Fußball machen, Herr Vogts. Und wir drücken Ihnen fest die Daumen, dass Ihr Team in Frankreich zu mehr Selbstbewusstsein der - deutschen - Männer beiträgt (Wir schreiben heute den 15. Juni (1998) und wissen noch nicht, wie weit unsere Jungs kommen werden...). Also, der Frauenfußball. Was hat sie bewirkt, die EMMA-Kampagne „Die Hälfte vom Ball für die Frauen!“, die von Januar bis August 1998 in vier Folgen gelaufen ist? Zunächst haben wir uns wieder mal zwischen alle Stühle gesetzt. Die klassische EMMA-Leserin reagierte erst mal pikiert: Fußball - was soll denn das? So ein Mackersport!
Sie liest lieber Bücher. Die klassische Fußballerin reagierte erstmal erstaunt: EMMA - was ist denn das? Sie übt lieber Kopfball. Einige Leserinnen drohten uns sogar mit Abbestellung, wenn wir weiter über „so einen Quatsch“ berichten (ja, so sind sie, unsere Leserinnen). Aber wir sind da stur. Denn wir halten Fußball nicht nur für das Recht eines jeden Menschen, auch des weiblichen, sondern auch für einen (emanzipatorisch durchaus förderungswürdigen) Rollenbruch. In Ländern wie Algerien kann so ein Rollenbruch sogar das Leben kosten - darum sind die Fußballerinnen dort sogar regelrechte „Widerstandskämpferinnen“, wie es jüngst „arte“ formulierte.
Nun, hierzulande sind die Frauen schon ein Stückchen freier. Der Fußball fängt an, auch für Frauen zum Massensport zu werden, die Mädchen stürmen die Bolzplätze. Den Weg für sie und die Spitzenfußballerinnen freizumachen, dazu will EMMA gern beitragen. Wir sind sicher, es wird uns mit zehn Jahren Verspätung gelohnt - wie so manches andere Engagement.
Doch schon jetzt ist klar: die EMMA-Kampagne für den Frauenfußball war nützlich. Die Spielerinnen sind zufrieden, die TrainerInnen sowieso, und sogar die FunktionärInnen vom DFB. „Berührungsängste wie noch vor zehn Jahren bei der Europameisterschaft habe ich diesmal kaum noch gespürt“, vermeldet Reporterin Fechtig zufrieden von der Front.
Im Gegenteil: Mannschaftskapitänin Martina Voss antwortete im Fernsehen auf die Frage, ob sie EMMA kennt: „Das ist eine Zeitschrift für Frauen, die in letzter Zeit sehr viel über den Frauenfußball berichtet hat - und das finde ich wunderbar!“ Und Nationaltrainerin Tina Theune-Meyer strahlte: „Die EMMA-Kampagne macht sich schon bemerkbar. Ich kriege seither auffallend viele Interview-Anfragen.“ Und zum ersten Mal hat dasselbe Reporterteam beim Pokalendspiel in Berlin das Frauen- und das Männerspiel kommentiert. Und das „Aktuelle Sportstudio“ ließ verlauten: „Ab der nächsten Saison berichten wir wahrscheinlich auch über die Bundesligaspiele der Frauen.“
Jürgen Tritschoks, Trainer der Bundesligistinnen Grün-Weiß-Brauweiler: „Bisherige Aktionen für den Frauenfußball sind immer schnell verpufft. Aber EMMA hängt sich ja jetzt richtig langfristig rein. Das freut uns.“ Bundesliga-Trainer Friedhelm Funkel: „Ich kann wirklich nur jedem raten, sich auch mal ein Frauenfußballspiel anzusehen. Denn dort sieht man nicht nur guten Fußball, sondern auch attraktive Frauen.“ Musik in den Ohren der Fußballerinnen, die lange unter ihrem Ruf als „Mannweiber“ gelitten haben. (Wobei, Schwestern, so ein Ruf wenig mit dem Aussehen zu tun hat, das wissen wir aus eigener Erfahrung.)
Aber das Ziel ist noch lange nicht erreicht. Wir wiederholen also unsere in dieser Serie wohlbegründeten Forderungen:
- Das Verbot des Zusammenspielens- oder Gegeneinanderspielens von Frauen und Männern muss aufgehoben werden!
- Der benachteiligte Mädchen- und Frauenfußball muss an Schulen und in Vereinen systematisch gefördert werden!
- National- und Bundesliga-Spielerinnen müssen einen Profi-Status kriegen (Damit sie sich für den Lebensunterhalt nicht noch müde jobben müssen)!
Das nächste Fußball-Highlight steht vor der Tür: Die Frauen-Weltmeisterschaft im Sommer '99 in den USA, wo Frauenfußball hip ist. Der Kartenverkauf hat schon begonnen. Aber erst mal gilt es, die Herren-WM zu überleben. Ein Trost für Nicht-Fans: Sabine Töpperwien kommentiert für den WDR live aus Paris. Sabine wer? Sabine mit der schönen Stimme.
P. S.: Während EMMA ihre Kampagne publizierte, wurde der FCR Duisburg 1955 umjubelter Pokalsieger in Berlin (16. Mai 1998). Bei der von Schwarzer erwähnten WM 1999 in den USA schied Deutschland im Viertelfinale gegen die späteren Siegerinnen USA unglücklich mit 2:3 aus. Das Endspiel der Amerikanerinnen gegen China sahen 90.185 ZuschauerInnen.
Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken):
Der Kaiser, der kurz zuvor die Frauen noch liebend gern vom Platz und an den Herd gestellt hätte, zeigte sich auf einmal ganz anders - Franz Beckenbauer kürte im Auftrag von Pharma Hermes 1996 Martina Voss zur „Spielerin des Jahres“.
Trainer Hans-Jürgen Tritschoks war von 1996 bis 2002 beim FFC Brauweiler tätig, mit dem er 1997 das spektakuläre Endspiel um die Deutsche Meisterschaft in Homberg gegen Rumeln-Kaldenhausen gewann. Foto: Getty Images
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