Das Zechen-Tagebuch – Türstöcke „wie gemalt“!

Verfasst am: 2018-06-13  •  Autor: Ferdi Seidelt  •  Fotos: Ferdi Seidelt (6), Abdullah Altun (1)

Das Zechen-Tagebuch – Türstöcke „wie gemalt“!Das Zechen-Tagebuch – Türstöcke „wie gemalt“!Das Zechen-Tagebuch – Türstöcke „wie gemalt“!

Wir wissen nicht, in welchem Jahr wo ein Bergmann erstmals einen „Deutschen Türstock“ zum Ausbauen gefertigt hat! „Deutscher Türstock“? Nun, der Ausbau im Bergbau bedeutete immer auch das Abstützen und Sichern des Grubengebäudes mit Stempeln und einer „Kappe“ (Querholz oben), das ist ein Türstock. Man unterscheidet zwischen einem Deutschen und einem Polnischen/Schlesischen Türstock, wobei der erste auf Firsten- und Seitendruck gefertigt wird, der zweite nur Druck von oben aufnehmen kann.
Die Steiger Wilfried Brücksken und Walter Stärk könnten die beiden Bergleute sein, die im Fruhsommer 2018, im Jahr, in dem das Ruhrgebiet seine letzte Zeche schließt, die allerletzten Türstöcke gefertigt haben. Natürlich nicht für Untertage, sondern für die Bergbau-Gedenken, die zur Zeit in Rumeln-Kaldenhausen und Bergheim entstehen! Selbstverständlich mit original Gezähe, mit Grubenbeil, Bügelsäge, Schlägel und Eisen. Mit Vergnügen hatte Bauleiter Heinz Billen bei Schweitzer in Duisburg Grubenholz wie in guten alten Zeiten bestellt, was beim Sägewerk aber nur kurz für Irritationen sorgte. Dafür gab's die knapp 20 cm dicken Kernholz-Prügel traditionell handgeschält und von den Steigern ein Extralob. Die Mundschenke Marco und Nadine Kolo überraschten die Arbeiter gleich zu Beginn der Schicht mit original Rumeln-Kaldenhausen-Bier. So motiviert gelang das Anschärfen der Stempel wie im Lehrbuch (durch das Anschärfen kann sich der Stempel unter Druck um bis zu zehn Prozent seiner ursprünglichen Länge einkürzen, ohne dass er bricht) und auch die Verblattung von Kappe mit Stempel samt handgeschmiedeter Verbindungsklammern wurde zum Meisterstück!
Während die Steiger bei immer sachgemäßen Kommentaren von Elektrohauer Dieter Nölker, wie gesagt, ganze Arbeit ablieferten, ging es in der Werkstatt von Förderer Abdullah Altun ebenfalls hoch her. Die „abgängigen“ Loren wurden dermaßen gekonnt repariert und restauriert, dass sie nunmehr stolz wie Bolle auf ihren öffentlichen Auftritt warten. Das Altun-Team hat die ebenfalls chic gestylten Gleise mittlerweile bereits verlegt...
Stand der Dinge Mitte Juni 2018: In Bergheim wie in Rumeln-Kaldenhausen sind die Fundamente gegossen, die Türstöcke „höchstmöglich original“ gefertigt sowie die Gleise und „Hunte“ (Loren) spektakulär auf Vordermann gebracht worden. In Rumeln-Kaldenhausen gibt’s obendrein künftig genügend Strom auf dem Gelände. Jetzt gilt es, hier wie dort, die Türstöcke so zu umbauen, damit die Illusion einer Strecke authentisch vermittelt wird. Hinzu kommen noch einige Überraschungen, die aber nicht vor der festlichen Inbetriebnahme in der zweiten Septemberhälfte verraten werden. Eines steht aber schon jetzt fest: Nach unseren Recherchen gibt es zwar jede Menge Seilscheiben und Loren, hier wie dort auch einmal eine Zechenbahn, einen Hobel oder künstlerische Kumpel-Skulpturen, aber die Einfahrt in eine Strecke wird bislang nirgends open air gezeigt. Rumeln-Kaldenhausen und Bergheim werden also Zeichen setzen.

Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken):
1 – Sieht zwar ein wenig unübersichtlich aus, doch Elektromeister Fritz Ketzer verstromt das Gelände mit Übersicht – das Bergbau-Denkmal, die Wappenwand und auch die Veranstaltungen der Evangelischen Altenhilfe brauchen „Saft“. Foto Ferdi Seidelt
2 – Wahre Schmuckstücke hat das Team von Abdullah Altun aus den in die Jahre gekommenen Loren gemacht. Der besondere Pfiff sind sicherlich die zweifarbigen Räder, die den Betrachter geradezu anlachen. Foto Abdullah Altun
3 – Das perfekte Anschärfen des Stempels mit dem Grubenbeil demonstriert der Ortsälteste Wilfried Brücksken (links), Steiger Walter kennt die Formel natürlich auch: Unten am Stempel bleibt ½ D längs stehen, die Anschärfung ist 1 ½ D hoch. Foto Ferdi Seidelt
4 – Die Ortsmundschenke Marco und Nadine Kolo (rechts im Bild) verwöhnen die Kolonne mit (vl) Heinz Billen, Wilfried Brücksken, Walter Stärk und Dieter Nölker mit einem Gläschen Rumeln-Kaldenhausen-Bier. Mehr geht nicht, denn das Beil ist scharf. Foto Ferdi Seidelt
5 – Ein eingespieltes Team und gute Freunde, die sich gerne auch einmal frotzeln: links an der Grubensäge Walter Stärk, rechts Wilfried Brücksken. Wenig später liegt etwas „Mutterholz“ an der Seite, das staubte der Kumpel einst für den heimischen Ofen ab. Foto Ferdi Seidelt
6 – Die Strecke nimmt Form an! Freude über Besuch aus Bergheim, zu sehen von links Heinz Billen, Walter Stärk, Dieter Nölker und Abdullah Altun. Foto Ferdi Seidelt
7 – Das Gleis liegt, jetzt über das Ganze aber erst einmal eine Plane, sagt Heinz Billen. Gut zu sehen zwischen den Türstöcken die „Spreizen“, die den Abstand halten, und die „Verzüge“, die die Stempel sichern. Foto Ferdi Seidelt

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Das Zechen-Tagebuch – erste Arbeiten hier wie dort

Verfasst am: 2018-06-01  •  Autor: Ferdi Seidelt  •  Fotos: Ferdi Seidelt (2), Abdullah Altun (3)

Das Zechen-Tagebuch – erste Arbeiten hier wie dortDas Zechen-Tagebuch – erste Arbeiten hier wie dort

Im letzten Bericht schilderten wir den Abtransport der Loren und Schienen. Diese wurden in die Bergheimer Werkstatt von Gleis- und Tiefbau Abdullah Altun gebracht, wo die Mitarbeiter und insbesondere Schweißer Ali Altun die historischen Schätzchen in Empfang nahmen.
Gleichzeitig wagt „Bauleiter“ Heinz Billen den regionalen Spagat: heute in Rumeln-Kaldenhausen, morgen in Bergheim. An der Bergheimer Straße wird das Bauwerk abgesteckt und an der Rathausallee kundig das Schnurgerüst gesetzt. Nach den Ausschachtungsarbeiten in Bergheim ist das Beton-Fundament nur Formsache. Dann geht es der Wiese vor dem Ex-Rathaus Rumeln-Kaldenhausen an den Kragen. Quer durch das Grün wird von Elektromeister Fritz Ketzer ein Erdkabel NYY-J 5x2,5 (Starkstromkabel) verlegt, soll doch das langsam, aber sicher Form annehmende „Open Air Heimatmuseum Rumeln-Kaldenhausen“ mit ausreichend „Saft“ versorgt werden. Geplant sind etliche Beleuchtungseffekte – doch das ist ein eigenes Kapitel. Von der „Hauptleitung“ ab gehen die Unterversorgungen für die Wappenwand, den Bergbau-Streb und später die Remise (die an die Landwirtschaft vor Ort erinnern soll). Das Schmalbagger-Rinnen-System von STN-Chef Michael Hass sieht zwar verwirrend aus, macht aber Sinn.
Ungezählte Stunden investieren derweil die Experten von Abdullah Altun in die Exponate. Richtiggehend vertrauenerweckend sehen die Gleisabschnitte aus, die unter Nutzung der Originalschienen und der Befestigungsmaterialien wieder auf 600er Spur gebracht wurden.
Deutlich komplizierter ist die Sanierung der 850-l-Loren. Der offene kastenförmige Förderwagen, auch „Hunt“ oder „Hund“ genannt, zeigt sich nicht gerade mehr fabrikneu. Kleiner Exkurs für Schlaumeier: Der im Mittelalter verwendete Hunt aus Holz soll beim Schieben durch den Huntstößer auf den Spurlatten (hölzerne Schienen) besonders in Kurven ein bellendes Geräusch verursacht haben, deshalb der Name. Sagt man.
Nun, nachdem die Männer die Grubenhunte ausgepackt haben, wird deutlich, was jahrzehntelange Maloche unter Tage sowie 28 Jahre, 6 Monate und 25 Tage als Denkmal in Bergheim angerichtet haben - umfangreicher Rostfraß an den Böden! Abdullahs exzellente Metaller lassen sich aber nicht verwirren und gehen das Desaster per Schweißgerät an. Diese stoffschlüssige Verbindung sorgt für hohe Festigkeit – der Hund kann wieder „bellen“! Eine spezielle Bitumen-Farbe wird die Transport-Beule über Jahrzehnte schützen. Soweit unser First Look in die Werkstatt-Hallen der hilfsbereiten Firma.
Bleibt zu berichten vom Einkauf der „Stempel“ (senkrechte Pfosten) und „Kappen“ (waagerechte Riegel on top). Da haben wir nicht etwa druckimprägnierte Palisaden oder sonst was über den Baumarkt besorgt, sondern original geschältes Grubenholz beim Großhandel bestellt – wie damals unsere Väter und Großväter.

Zu unseren Bildern (zum Vergrößern bitte anklicken):
1 – Pflegedienstleister Lars Wolfgang Fruth (die Wiese gehört der Evangelischen Altenhilfe), Landschaftsgärtner Michael Hass und Bauleiter Heinz Billen (vl) beobachten den „ersten Spatenstich“.
2 – Wo ein Bagger im Einsatz ist wächst zuerst einmal kein Gras mehr. Doch nach Verlegung der Kabel und Schließung der Rinnen sorgt Michael Hass sicherlich für alsbald wieder sprießendes Grün.
3 – Diese herrlich aufbereiteten Schienenabschnitte bilden bald den Lauf der beiden Fördertransportwagen – sowohl in Rumeln-Kaldenhausen als auch in Bergheim.
4 – Die entleerten Loren wurden als erstes gesandstrahlt, um der Sache auf den Grund zu kommen. Dann machte sich Schweißer Ali Altun ans Werk – das Ergebnis wird alle überzeugen.
5 – So sieht ein leerer Hunt von oben aus. Der Zwischenboden, wo die Kohle drapiert war, ist großflächig entnommen worden – jetzt kommen die Metaller überall ran.

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