An der Kall, am Mörter Berg, auf dem Stappelfeld!
Verfasst am: 2019-02-24 • Autor: Ferdi Seidelt, Wochenanzeiger • Fotos: Ferdi Seidelt
Wenn es „so“ den Akazienweg getroffen hätte, dann hätten Rumeln-Kaldenhausen und insbesondere Heimatfreund Heinz Billen damit leben können. Die Chaussee zwischen Giesenfeldstraße und Böschhof sollte künftig „An der Kall“ heißen, eine gute Wahl. Für die Ulmenstraße war „Auf dem Stappelfeld“ vorgesehen, für die Friedhofallee und die Kirchstraße „Am Mörter Berg“. Neu-Groß-Duisburg wollte bei Straßennamen klare Verhältnisse. Doch gemach!
Rückblende, 1975: Rumeln-Kaldenhausen war zusammen mit Rheinhausen, Homberg, Baerl und Walsum Duisburg zugeschlagen worden. Sogleich fiel auf, dass es fortan jede Menge doppelte Straßennamen geben würde, auch drei-, vier- und fünffach. Die größte Umbenennung aller Zeiten sollte für Eineindeutigkeit sorgen, allein in Rumeln-Kaldenhausen wären 59 Straßen umzubenennen gewesen oder wären mit einer benachbarten Straße verschmolzen worden.
Proteste allerorten! In Rumeln-Kaldenhausen initiierte die CDU eine Bürgeraktion, tausende Menschen trugen sich in Listen ein. Mit Erfolg! Kleinlaut zog Duisburg die Beschlussvorlage zurück, nunmehr sollten die Postleitzahlen richten, wo denn in Duisburg zum Beispiel eine Gartenstraße zu sein hatte. Ob in Rheinhausen, Homberg, Walsum, Hamborn oder eben in Rumeln-Kaldenhausen…
Was war für Rumeln-Kaldenhausen ausgetüftelt worden? Wir setzen uns in Gedanken an die Schreibtische der klugen Umbenenner: Ahornstraße und Erlenweg sollen „Carl-Zuckmayer-Straße“ (Schriftsteller) heißen. Aus dem Amselweg wird „Am Binsenteich“, aus der Anna- und Barbarastraße „Derk-Hüfken-Straße“ (heldenhafter Rumelner, der 1845 bei der Hochwasserkatastrophe ums Leben kam). Für Auf der Heide sind „Zum Harwinkel“ (nördlicher Teil) und „Alte Heide“ (südlich) geplant. Die Bachstraße wird mit „Im Bachgrund“ namensangleichend beschieden, die Brahmsstraße mit „Arnold-Schönberg-Straße“ (Komponist) und die Buchenstraße mit „Bertolt-Brecht-Straße“ (Schriftsteller) werden neu gestylt. Die Dahlienstraße nennt sich bald „Wilhelm-Ostwald-Straße“ (Chemiker) und der B 57 (Moerser und Düsseldorfer Straße) wird der Geistesblitz „Büdericher Straße“ zugeordnet.
Die Eichenstraße sei eine „Arthur-Schnitzler-Straße“ (Schriftsteller), die Garten- und Rosenstraße eine „Adolf-von-Bayer-Straße“ (Chemiker). Pfiffige Erklärung für letztere Straßen: „Sie befinden sich in der Nähe von Bayer Uerdingen.“ Doch auch in der Behörde sitzen Döspaddel: Die Bayer-Werke wurden vom Barmer Friedrich Bayer gegründet, der Berliner Adolf von Baeyer (nicht Bayer!) hatte mit ihm nichts zu tun.
Zurück zum „name change“! Aus Grüner Weg wird „Weimarer Straße“, aus Heideweg „Am Stemeshof“, aus Heinrichstraße „Zum Kuckeshof“, aus Jahn- und Uhlandstraße „Kurt-Alder-Straße“ (Chemiker), aus Kantstraße „Carl-Maria-von-Weber-Straße“ (Komponist), aus Klosterstraße „Marienfeldstraße“, aus Königsberger Straße „Dresdener Straße“, aus Lerchenstraße „Bachstelzenstraße“, aus Lessingweg „Heinrich-Wieland-Straße“ (Chemiker), aus Lindenstraße „Carl-Sternheim-Straße“ (Schriftsteller) und aus Lortzingstraße „Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Straße“ (Komponist). Nice: Die Marienstraße verändert sich in „Konrad-Bruns-Straße“ (Ortsbürgermeister 1952 – 1954), die Mozartstraße ehrt „Engelbert Humperdinck“ (Komponist), die Nelkenstraße „Eduard Buchner“, die Oderstraße „Otto Diels“, die Schillerstraße „Hermann Staudinger“ und die Stormstraße „Fritz Haber“ (alles Chemiker). Der Mühlenweg anerkennt die „Dimmers Mühle“, die Tilsiter Straße hört auf „Potsdamer Straße“ und die Wiesen- wird zur „Scheunenstraße“.
Was auffiel: Duisburg bemühte für Rumeln-Kaldenhausen immer wieder die Chemie, nicht aber Stahl und Kohle. 15 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur, ausschließlich Männer, sollten in den Olymp. Gewürdigt als lokale Helden wurden lediglich Müller Dimmers, Lebensretter Hüfken und Bürgermeister Bruns - etliche Ortsgrößen und gleich sechs erste Bürger blieben außen vor. Das war 1975 – und ist auch heute noch so.
Zu unserem Bild (zum Vergrößern bitte anklicken):
Alteingesessene Kaldenhausener treffen sich nicht am Akazienweg, sondern „an der Kall“. Diese plattdeutsche Attitüde erinnert an einen alten, heute immer noch vorhandenen Graben (Foto Ferdi Seidelt).
Horrorhäuser ade! Kaldenhausen atmet auf!
Verfasst am: 2019-02-07 • Autor: Ferdi Seidelt, Wochenanzeiger • Fotos: Ferdi Seidelt
Draußen liegt eine „Bong“. Mit der wird Cannabis gekickt, viel Rauch in einem Zug. Drinnen ist erkennbar Heroin-Besteck im Einsatz gewesen. Der Rauschgiftsüchtige hatte es sich im Keller von „Frl. Weber“, das war die Allgemeinärztin an der Ulmenstraße 13 in Kaldenhausen, häuslich eingerichtet. Gänsehaut. Weiter geht es durch die dunklen Keller der wracken Wohnanlage. Überraschung unter dem ehemaligen Götzen-Laden. Hier sammelt ein Pumpensumpfbecken über Jahrzehnte Regenwasser, Wasser, was reichlich von durstigen Wurzeln der umliegenden Bäume abgegriffen wird. Ein nicht alltägliches florales Erlebnis – Wurzeln kämpfen sich unter dem Betonkeller bis zur „Quelle“ vor, sie müssen das Nass „gerochen“ haben.
Wir befinden uns auf einer Reise durch die Vergangenheit, unsere exklusive Recherche-Visite in den Kaldenhausener Horrorhäusern ist nicht ohne, wird jedoch die letzte sein. In wenigen Tagen wird der Schrottimmobilie das Garaus gemacht.
Wie kann es sein, dass eine schmucke und aufwändige Wohn-Geschäfte-Anlage innerhalb von 30 Jahren reif für die Tonne ist? Und dann 30 Jahre nichts passiert? Auf beide Fragen gibt es viele Antworten. Dank gebührt auf jeden Fall der Sprecherin der Wuppertaler Erbengemeinschaft, die im vergangenen Sommer den Weg frei machte – heute blickt Arne Thomsen mit seiner „Steinbau“ als Erwerber des Grundstücks auf einen ambitionierten Zeitplan. Das Gelände ist gerodet, die Räume entrümpelt, Ende März sollen die Gebäude vom Erdboden verschwunden sein, ab Mai wird gebaut.
Blicken wir 60 Jahre zurück! Die Gebäude wurden 1959 als ergänzender Teil der so genannten „Polensiedlung“ hochgezogen. In den beiden Häusern wohnten knapp 40 Familien. In den ersten Jahren fühlten sich die Mieter dort sehr wohl. Insbesondere das bunte Treiben in der vorgelagerten Ladenzeile mit dem „dicken Rohde“, der umtriebige Gastronom der „Ulmenwirtin“, dem Lebensmittelladen (zuerst „VIVO“, zuletzt „Götzen“), dem kleinen Elektrogeschäft und der Arztpraxis von „Frl. Weber“ (sie bestand auf „Fräulein“) sorgte für ein kurzweiliges und fröhliches Miteinander, wie Maria Bellmer geb. Nuck als eine der ersten Bewohnerinnen mir berichtet. Doch schon in den 80er Jahren wollte hier kaum jemand mehr wohnen. Die Wohnungen, 1983 aus der Kun-Konkurs-Masse an eine Wuppertaler Firma verkauft, verfielen zunehmend, das Verhältnis Vermieter/Mieter geriet komplett aus den Fugen. Zuletzt lebten dort nur noch wenige Sozialhilfeempfänger. Vor ziemlich genau 30 Jahren zogen die letzten Mieter aus, Zwangsräumung.
Zurück zu unserem nicht alltäglichen Ausflug! Nach einem Gang durch die Arzt-Praxis (noch vorhanden die Schilder „Sprechzeiten“, „Wartezimmer“, „Bestrahlungsraum“) und den Götzen-Laden (erkennbar an der grün-gelben Fenster-Folie) ist die Kneipe „Ulmenwirtin“ dran. Abgehängte Decken sind mit der Zeit aus ihren Ankern gerissen, die Treppe zur Kegelbahn ist geborsten, mehrere Brände haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Chaos pur, doch nach wie vor erkennbar der kleine Imbiss links, die Theke rechts, das Gestühl. Hier haben ungezählte Gäste ihr Thier-Bier getrunken und die Kaldenhausener Jungs den Rumelnern eins auf die Mappe gehauen, wenn sie „ihre“ Mädchen anbaggerten!
Ohne größere Blessuren geht es in den großen Vierstöcker. Überall Spuren von ungewollten Gästen, trotz tonnenschwerer Metallplatten in allen Gebäude-Öffnungen. Gefühlt 10.000 Euro müssen die Stadtstreicher in Spraydosen investiert haben, die Graffitis, zum Teil recht gelungen, schmücken jede Wand. Ebenfalls auffällig: Die meisten Besucher müssen MSV-Fans gewesen sein, den Zebras wird immer wieder per Wandnotiz gehuldigt. Keine einzige gilt Bayern München, zumindest das.
Abenteuerlich der „Aufstieg“ auf das Flachdach. Oben ein weiteres florales Wunder: Aus der Schweißbahn, ein Bitumen-Produkt, ist über die Jahrzehnte eine vier Meter große Birke gewachsen. Stichwort Natur. Da unten, wo einst die Wiesen zum Spielen einluden, hatte sich über drei Jahrzehnte vorhandenes Grün und weitere Spontan-Vegetation ausgebreitet. Im Sommer wurden so die Ruinen kaum wahrgenommen. Jetzt wirken sie nackt, hilflos – sie warten auf ihr Ende.
Ausblick: Nach dem Abriss gibt es um Ostern eine zünftige Baustellen-Fete. Auf dem Gelände und dem benachbarten Grundstück der ehemaligen Friedrich-Fröbel-Sonderschule werden Zug um Zug zeitgemäße und barrierefreie Baukörper hochgezogen. Zur Verfügung stehen rund 17.000 qm, auf beiden Arealen sind 100 Quartiere möglich. Wohnungen, die garantiert länger als 30 Jahre halten werden…
Bilder (zum Vergrößern bitte anklicken):
1 – Die Wohnanlage Birkenstraße 75 hat die Nachbarn lange genug geärgert. Der eine oder andere hatte sich schon an die „Schrottimmobilie“ gewöhnt.
2 – Der mit Kettensäge und Räumgeräten freigelegte Eingang des ehemaligen Götzen-Geschäfts – erkennbar an den Hausfarben Grün-Gelb.
3 - In der „Ulmenwirtin“ residierte der „dicke Rohde“, hier an der Theke wurden ungezählte Biere gezapft und etliche Lokalrunden geschmissen.
4 – Durch dieses Kellerfenster hangelten sich ungebetene Gäste in die Keller. Dort war der Stadtstreicher, Obdachlose oder Junkie relativ sicher.
5 – Eine menschliche Tragödie hat sich nach Lage der Dinge hier abgespielt. Deutlich zu erkennen sind die Zutaten für die Heroin-Aufbereitung.
6 – In so gut wie jedem Raum haben sich die Besucher künstlerisch versucht, Geld für Spray-Dosen ist wohl zu keiner Zeit ein Problem.
7 – Nicht gerade komfortabel ist diese Schlafstätte mit Matratze und Decke, die wir im Keller der Wohnung von Frl. Weber gefunden haben.
8 – Ende der 80er Jahre ist für das Gebäude Schicht im Schacht. Die Stadt ordnet eine Zwangsräumung an, die Immobilie ist nicht mehr sicher.
9 – Die Natur setzt sich durch, das Eisengitter ist für den drahtigen Baum kein Hindernis. Er wächst und wickelt sich einfach durch.
10 – Schwer zu glauben, aber wahr. Aus einer Bitumen-Schweißbahn entwickelt sich diese vier Meter große und gesunde Birke.
11 - Hier ging's in der Ulmenwirtin zur Kegelbahn. Um eine kernige Kugel zu schieben, musste der Gast in den Keller.
12 - Bei Ärztin Fräulein Weber ab in die Sprechstunde! Sie war für weit mehr als nur für die 40 neuen Wohneinheiten medizinische Ansprechpartnerin.
13 - Die private Badewanne von Frl. Weber – so wie bei ihr sah es in allen Wohnungen aus. Ein Siemens-Boiler spendete warmes Wasser.
14 - Blick auf das Gebäude Birkenstraße 71 + 73 - es wird entrümpelt. Insgesamt flogen über 100 Tonnen (!) Sondermüll aus den Fenstern.
15 - Das ultimativ letzte Ende der Ulmenwirtin ist nahe - es waren bewegte und kurzweilige Stunden in der kultigen Kneipe.
16 - Heute vor 40 Jahren – Loddar will flirten und geht dann mal in die gut besuchte Ulmenwirtin „ein Bier trinken“.
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